Was wir erleben
Wie es Tieren ergeht
Inhalt:
Im Namen des Volkes: Kükenschreddern geht weiter
Hühnerrettung: Aus Bodenhaltung ins Paradies
Im Namen des Volkes: Kükenschreddern geht weiter
Im Namen des Volkes: Kükenschreddern geht weiter
Am 13. Juni 2019 hat das Bundesverwaltungsgericht geurteilt: Das Kükenschreddern verstößt zwar gegen den Tierschutz, aber es bleibt weiterhin erlaubt, da es den Brütereien nicht zuzumuten ist, darauf zu verzichten. (Sie hatten ja auch erst seit der Verfügung vom 18. Dezember 2013 Zeit, sich umzustellen!) Eine Frist für die Beendigung des Kükentötens wurde nicht festgelegt.
Dieses Urteil ist schwer nachvollziehbar, egal aus welcher Perspektive man darauf schaut. Rechtlich sieht das so aus: Seit 2002 ist Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert. Nach § 1 Satz 2 Tierschutzgesetz darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Das Kükenschreddern beruht - in Anbetracht des Staatszieles Tierschutz - nicht mehr auf einem vernünftigen Grund. Die Belange des Tierschutzes wiegen schwerer als das wirtschaftliche Interesse der Brutbetriebe. Daraus würde man logisch folgern: Kükenschreddern verstößt gegen Grundgesetz und Tierschutzgesetz und gehört deshalb verboten. Doch auf genau diese Folgerung verzichtet das Gericht. Übergangsweise dürfen die Gesetzesverstöße weiter stattfinden. Heißt für die Brütereien: Erst mal weiter so!
Aus christlich-ethischer Sicht findet Folgendes statt: Der Mensch maßt sich an, über den Wert eines Lebewesens zu entscheiden. Dabei gesteht er ihm keinen Eigenwert zu, sondern berechnet allein einen Nutzwert. Dabei kommen männliche Küken auf eine negative Bilanz. Was sagt das über unser menschliches Selbstverständnis, dass wir uns das Recht nehmen, Geschöpfe so nach ihrem Nutzen zu sortieren? Das ist eine gefährliche Selbstüberhöhung!
Und was sagt das über unser Gottesverständnis? Kann das jetzt legitimierte Vorgehen dem Gott, an den wir glauben, gefällig sein? Kann oder will man sich einen Schöpfergott vorstellen, der Geschöpfe verwirft, sobald sie ihm nicht mehr passen? Wie würde man in dem Fall selbst dastehen? In der Bibel gibt es eine Stelle, die in diese Richtung geht. In Gen 6 sieht der Herr die zunehmende Schlechtigkeit der Menschen. Die tut ihm im Herzen weh und er bereut es, die Menschen überhaupt geschaffen zu haben. Also entschließt er sich, die Menschen und mit ihnen Vieh, Vögel und Kriechtiere vom Erdboden zu vertilgen. Nur Noach findet Gnade in seinen Augen. Dann kommt die Sintflut.
Nach der Sintflut hat sich etwas Wesentliches verändert: nicht der Mensch (der ist nach wie vor der Sünde verfallen), sondern Gottes Haltung zum Menschen. Gott erkennt an, dass der Mensch ist, wie er ist, und dass er ihn trotzdem liebt. Aus dieser ihm so deutlich bewusst gewordenen Liebe heraus beschließt er, dass er künftig nie mehr alles Lebendige vernichten will. Er schließt einen Bund mit allen lebenden Wesen. Wenn man sich diesen Leben liebenden Gott vorstellt, wie kann man dann das millionenfache Töten von Küken aus rein wirtschaftlichen Gründen rechtfertigen?
Wenn das Töten von Küken durch die Brütereien unchristlich ist, bleibt die Frage, wie wir - jede/r Einzelne - uns christlich dazu verhalten. Wollen wir uns per Einkauf an diesem Verhalten beteiligen? Wollen wir ohne Not dieses Leid mit befördern? Es gibt Alternativen. Wer nicht auf Eier verzichten möchte, kann sie auf solchen Höfen kaufen, die die Bruderhähne mit großziehen. Oder auf Höfen, die von vornherein so genannte "Zweinutzungshühner" halten. Das sind Hühnerrassen, bei denen die Hennen gut legen und die Hähne gut Fleisch ansetzen. Mit etwas Recherche lassen sich solche Höfe bzw. Verkaufsstellen für deren Eier finden. Die Eier sind dann zwar teurer, doch das lässt sich ausgleichen, indem man weniger isst.
Eine weitere Alternative wäre es, auf Eier zu verzichten. Klingt vielleicht drakonisch, ist es aber nicht. Rührei, Spiegelei, gekochtes Ei - das alles lässt sich durch Tofu ersetzen. Und beim Backen steht eine ganzes Sortiment von Ersatzmitteln zur Verfügung: Apfelmus, Bananen, Leinsamen, Sojamehl oder VegEgg. Der Vorteil dabei: Das alles lässt sich gut bevorraten. Wenn man also sonntags morgens wach wird und Lust hat auf Muffins, kann man eine Stunde später am Tisch sitzen und genießen. Ganz ohne Ei. (mh)
Hühnerrettung: Aus Bodenhaltung ins Paradies
1.400 Hühner hatten das große Los gezogen: In der Nacht zum 6. Oktober 2018 wurden sie aus ihrem Bodenhaltungsstall im Sauerland entlassen, und statt im Schlachthaus zu enden, konnten sie ein neues Leben anfangen. Dank sei dem Verein Rettet das Huhn e. V. Zwei dieser Hennen - Lulu und Babette - sind bei Andreas und Michel und ihrer Hühnerschar eingezogen.
Der Verein
Der Verein Rettet das Huhn e. V. rettet Hühner, die sich in der Massentierhaltung nicht mehr rechnen, vor dem Tod im Schlachthaus. Mitglieder des Vereins übernehmen die Ausstallung und bringen die Tiere zu Sammelstellen, wo sie von tierlieben Menschen übernommen werden. Der Deal dabei: Die Ausstallung hat kommentarlos zu erfolgen; sie ist nicht die Stunde der Kritik. Der Name des Geflügelhofs darf nicht preisgegeben werden. Die Menschen, die die Tiere aufnehmen, haben sich per Schutzvertrag zu verpflichten, ihnen fortan ein artgerechtes Leben zu bieten, sie nicht weiter kommerziell auszubeuten und sie nicht zu schlachten.
Die Tiere
Tiere aus Bodenhaltung haben ein Jahr Dauerstress hinter sich. 300 Eier pro Jahr sind eine enorme Anstrenung für den Köper. Hinzu kommen Kunstlicht, quälende Enge und die Verlorenheit in der Masse. Die hohe Besatzdichte macht es den Tieren fast unmöglich, Artgenossinnen wiederzuerkennen. (Und genau das können und brauchen Hühner!) Das alles sind Faktoren, die zu gegenseitigem Bepicken führen, sodass viele Tiere nur noch spärlich befiedert sind. Die Nackedeis haben Mühe, ihre Körpertemperatur aufrechtzuerhalten, und werden dadurch noch mehr geschwächt. Ein Teufelskreis!
Lulu und Babette
Lulu und Babette waren - im Gegensatz zu den meisten ihrer Stallgenossinnen - noch relativ gut dran. Es waren Teile ihres Federkleids vorhanden, und die Schnäbel waren intakt. Damit waren sie besonders geeignet für die anstehende Herausforderung: die Vergesellschaftung mit vier fidelen und selbstbewussten Artgenossinnen.
Zusammenführung
Gar nicht so einfach, so eine Zusammenführung. Die einen sind eine eingespielte Gruppe mit Besitzansprüchen in ihrem Revier; die anderen sind in jeder Hinsicht fremd. Die einen sind gesund und kräftig und gut im Futter; die anderen sind ausgelaugt, geschwächt und noch dazu übel riechend. Die einen bestehen auf einen abwechslungsreichen Speiseplan; die anderen kennen nichts als Legemehl. Bei derartigen Gegensätzen muss man's vorsichtig angehen.
Lulu und Babette sind in Etappen eingezogen. In einem ersten Schritt wurden sie samt Box ins Gehege gestellt. So konnten sie selbst entscheiden, wann sie sich hervorwagen. Bei Lulu hat's nicht lange gedauert; Babette dagegen war eher ängstlich und hat erst nach einiger Zeit die Box verlassen. So unterschiedlich sind die Charaktere! Die Begrüßung durch die vier Artgenossinnen war wenig herzlich. Den beiden Neulingen wurde unmissverständlich deutlich gemacht, wo sie stehen: ganz unten. Im zweiten Schritt wurden die vier Alteingesessenen aus dem Gehege auf die Wiese befördert, damit die Neulinge Zeit und Ruhe hatten, ihr neues Umfeld auf sich wirken zu lassen. Im dritten Schritt wurde das rangniedrigste Tier der alten Gruppe ins Gehege gelassen. Das klappte ganz gut. Trotzdem verzogen Lulu und Babette sich doch lieber in die hintere Ecke des Auslaufs, geschützt unter einen Busch. Die Nacht verbrachten sie in der sicheren Box im Schuppen. Am nächsten Tag gingen die Übungen von vorne los, bis schließlich alle sechs zusammen im Gehege waren.
Hackordnung
In der ersten Zeit des Zusammenlebens hatten die Hühner eine wichtige Aufgabe zu bewältigen: Sie mussten eine neue Ordnung finden. Das geschieht in Auseinandersetzungen, die für uns Menschen regelrecht grausam aussehen: Da duckt sich ein Huhn und erduldet es wehrlos, wie die anderen auf ihm herumhacken. "Nun wehr dich doch!", möchte man ihm zurufen und am liebsten gleich selbst einschreiten. Genau das jedoch sollte man nicht tun, denn der Hühnerhof braucht eine Hühnerordnung, und die können nur die Hühner herstellen.
Sechserschar
Wochen später: Die zwei ungleichen Gruppen sind zu einer kleinen Herde zusammengewachsen. Leittier ist ein Huhn der alten Gruppe. Lulu und Babette haben sich zu stolzen Hühnern mit einem prächtigen Federkleid entwickelt; von der Statur her sind sie sogar noch etwas kräftiger als die anderen vier. Und sie sind fest entschlossen, sich ihr neues schönes Leben von nichts und niemandem verderben zu lassen. Das musste neulich auch Familienhund Oskar lernen. Er hatte gedacht, er könnte Hühnerjagen spielen. Was für ein Irrtum! Lulu und Babette plusterten sich auf und nahmen Anlauf, ihm ins Gesicht zu springen. Seitdem spielt Oskar lieber etwas anderes. (mh)
Findelkitz


Am Sonntag war Annett mit bei der Wanderung "Mitgeschöpfe im Blick" und schon am Montag hat der Blick für Tiere sich ausgezahlt: Er fiel auf ein Rehkitz. Mitten auf dem Weg lag das kleine Geschöpf. Kein guter Platz für ein Kitz, viel zu unsicher. Was tun?
Annett hat büschelweise Gras gerupft und mit Grashandschuhen das Kitz zur Seite in den Schatten gelegt - ohne es zu berühren.
Die Stelle ist nicht weit von Annetts Haus, sodass sie regelmäßig schauen konnte, ob Mama kommt. Und siehe da: Sie kam, sie schnupperte, und sie nahm ihr Kind mit. Alles noch mal gut gegangen!
Hühnerglück

Tiwis Andreas und Michel haben vier Hühner zu sich geholt. Sie heißen Bärbel, Elfriede, Hermine und Mimi. Am 15. Juni 2018 sind sie eingezogen, und binnen kurzer Zeit haben sie sich bestens eingelebt. Aber der Reihe nach ...

Mitgeschöpf Huhn
Von Hühnern ist meist in der Masse die Rede, und das in rein wirtschaftlichen Zusammenhängen: Besatzdichte (35 bzw. 39 Kilogramm pro Quadratmeter), Schlachtzahlen (in Deutschland 600 Millionen Masthühner 2017), geschredderte Küken (in Deutschland 45 Millionen 2017). Dabei ist jedes Huhn - genau wie wir - zuallererst ein Individuum. Und das kann man am besten erfahren, wenn man Hühner um sich hat. So hatten Andreas und Michel sich das überlegt.

Vorbereitungen
Hühner brauchen ein Gehege, in dem sie herumlaufen können, und einen Stall, der ihnen Schutz und Unterschlupf bietet. Kleine Ställe für wenige Tiere gibt es fertig als Bausatz zu kaufen, der nur noch zusammengebaut werden muss. Trotzdem ist noch einiges an Eigenleistung zu erbringen, so etwa das Abdichten gegen Feuchtigkeit, das Errichten eines Fundaments und das Absichern gegen Eindringlinge.

Das Gehege muss so sein, dass die Hühner all ihren natürlichen Bedürfnissen nachgehen können: dem Scharren und Picken, dem Sand- und Sonnenbaden, dem Laufen, Flattern und Verstecken. Andreas und Michel haben ein Stück vom Garten abgetrennt mit Wiese, Gestrüpp und Sträuchern. Der Netzzaun, den die beiden verwendet haben, dient tatsächlich nur der Abgrenzung. Das reicht, weil die Tiere nachts im Stall und dort sicher sind. Wer sein Gehege fuchs- und mardersicher einzäunen muss, braucht einen stabileren, höheren und tief in die Erde eingelassenen Zaun.
Einzug
Woher bekommt man überhaupt Hühner? Andreas und Michel haben ihre vier Lieben im Raiffeisenmarkt geholt, wo zweimal im Monat Hühner angeliefert werden. Diese stammen aus einer Geflügelzucht in NRW. Solche Zuchtbetriebe verkaufen Tiere in allen möglichen Lebensphasen zu unterschiedlichen Zwecken: als Legehennen, für die Endmast oder für die direkte Schlachtung. Im Gegensatz dazu haben Bärbel, Elfriede, Hermine und Mimi das große Los gezogen: Sie sollen nämlich keinem solcher Zwecke dienen, sondern einfach nur Huhn sein und das genießen. Und sie haben das Versprechen, dass sie niemals geschlachtet werden.

Hühneralltag
Bärbel, Elfriede, Hermine und Mimi machen alles zusammen. Morgens um halb sieben kommen sie aus ihrem Stall, und dann nehmen sie auch gleich ihr Frühstück ein. Dazu bekommen sie eine Körnermischung serviert. Nach dem Frühstück sehen sie, was es Neues gibt in ihrem Pferch, und vor allem, was an Leckereien aufzutreiben ist. Unermüdlich scharren, graben und picken sie, um Würmer, Schnecken, Insekten, Larven oder auch mal eine Himbeere zu erhaschen. Zwischendrin betreiben sie Körperpflege per Sandbad, und immer wieder erfrischen sie sich an der Wassertränke. Am späten Vomittag dann ziehen sie sich zurück in den Stall, um ihr tägliches Ei zu legen.
Der Nachmittag verläuft zunächst einmal ähnlich wie der Vormittag. Das allerdings ändert sich genau in der Minute, in der Andreas auf der Bildfläche erscheint. Dann gibt es kein Halten mehr: Die vier stehen am Tor, gackern lauthals und wollen auf die große Wiese gelassen werden. Das ist nämlich ihr Nachmittagsvergnügen. Auf der Wiese fegen sie von hier nach da (ganz schön bewegungsfreudig, diese Hühner!) und suchen auch im letzten Eckchen noch nach Leckerbissen. Dabei halten sie sich in der Regel nahe beieinander auf. Abends um zehn war der Tag dann lang genug, und die vier marschieren ganz von selbst in ihren Stall. Jetzt ist Nachtruhe angesagt. Es braucht nur noch ein Mensch vorbeizukommen und das Türchen zuzumachen. Am nächsten Morgen um halb sieben geht's wieder weiter.
Tipp
Der Verein Rettet das Huhn e. V. vermittelt Hennen, die in der Legeindustrie ausgedient haben. Sie werden so vor dem Schlachthaus bewahrt. Die meisten dieser Tiere sind sehr stark mitgenommen von der schlechten Haltung und müssen mit Fingerspitzengefühl und Sachkunde wieder aufgepäppelt werden. Das ist vielleicht nicht ganz das Richtige für den Einstieg ins Leben mit Huhn, aber gewiss eine lohnende Aufgabe für Menschen mit etwas Erfahrung. Es macht glücklich, so einem kleinen Geschöpf auf die Beine zu helfen.
300 Bullen, 300 Schicksale
Wir waren in einem Stall mit rund 300 so genannten Mastbullen. Wahrscheinlich war der Stall gar nicht mal einer der übelsten, denn immerhin hatte der Bauer selbst uns zur Besichtigung eingeladen. Trotzdem: Die Tiere dort haben wenig Gutes in ihrem Leben.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Lebenslauf der so genannten Mastbullen schnell erzählt: Sie werden als Kälbchen angeliefert und dann mit Kraftfutter auf 450 kg hochgefüttert. Mit diesem Gewicht haben sie ihre Schlachtreife erreicht und werden zum Metzger gebracht. Zehn Tiere jede Woche. Die Zeit zwischen Anlieferung und Abtransport verbringen die Tiere ausschließlich im Stall. Dort sind sie dicht gedrängt mit ihren Altersgenossen in Boxen gepfercht. Der Platz reicht zum Stehen oder Liegen, nicht jedoch zum Laufen. Auslauf gibt es nicht.
Auf die beengte Haltung angesprochen, nannte der Bauer drei Gründe. Erstens seien Bullen auf der Weide viel zu gefährlich. Zweitens sei diese bewegungsarme Haltung auch dem Metzger lieber. Denn Tiere, die sich frei bewegt hätten, seien widerspenstiger und schwerer zu handhaben beim Schlachten. Drittens wünsche der Verbraucher zartes Fleisch und keine zähen Muskelfasern zwischen den Zähnen.
Zum ersten Argument: Es ist durch die Praxis widerlegt. Denn es gibt ja durchaus Betriebe, die ihre Bullen auf der Weide halten. Es muss dazu genügend Weidefläche vorhanden sein, und der Mensch muss sich die Zeit nehmen, die Tiere an sich zu gewöhnen. Geht alles.
Die Argumente zwei und drei sind nicht von der Hand zu weisen; so werden Bullen von ihren Nutzern gesehen. Was das heißt, sollte man sich klar vor Augen führen: Das Leben dieser Tiere wird vom Endprodukt aus bestimmt, von der Qualität und dem Preis ihres Fleisches. Dass vor dem Endprodukt ein individuelles Leben steht, wird ignoriert. Den Tieren wird kein Selbstzweck zugestanden, sondern lediglich ein Nutzen. Hier ist bereits die Sprache verräterisch: Mastbullen - Bullen, die der Mast zu dienen haben; Milchkühe - Kühe, die dem Milchgeben zu dienen haben; Fleischrinder - Rinder, die der Fleischerzeugung zu dienen haben; Legehennen - Hennen, die dem Eierlegen zu dienen haben. Die Tiere werden auf die eine Funktion reduziert, die der Mensch für sich nutzen möchte.
Der Selbstzweck eines Lebewesens ist ein nicht zu unterschätzendes Kriterium. Denn an den Selbstzweck ist die Würde gebunden, und die Würde setzt Maßstäbe für einen guten Umgang. So verbietet es die Menschenwürde, dass man Menschen im Meer ertrinken lässt, dass man sie foltert oder ausbeutet bis aufs Blut.
Die Verknüpfung von Selbstzweck und Würde geht zurück auf die Menschenwürde bei Immanuel Kant. Für Kant ist jeder Mensch ein Zweck an sich, und deshalb darf man Menschen niemals bloß als Mittel gebrauchen. Im Kategorischen Imperativ heißt das so:
"Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person als auch in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst."
Bei Tieren, jedenfalls bei den so genannten Nutztieren, wird das traditionell anders gesehen: Sie gelten allein als Mittel und nicht als Selbstzweck. Würde wird ihnen nicht zuerkannt. Und ohne Selbstzweck und ohne Würde haben sie keinerlei selbstbezogene Ansprüche. So kann ein jeder Mensch mit ihnen verfahren, wie es für seine eigenen Interessen gut ist. Pech für die Tiere!
Gut für die Tiere ist, dass die neuere christliche Tierethik sich querstellt zu der traditionellen Sichtweise. Sie gesteht Tieren sehr wohl eine Würde zu. (Vergleiche Kurt Remele, Die Würde des Tieres ist unantastbar). Wie auch nicht? Schließlich sind Tiere ebenso wie wir Geschöpfe aus der Hand des Schöpfers, und dieser Schöpfer hat sie für gut befunden. In diesem Sinne hat der Brixener Theologe Pater Martin M. Lintner den Kantschen Imperativ weitergeführt. Bei ihm heißt es:
"Handle so, dass du die Tiere nie bloß als Mittel zur Befriedigung eigener Interessen brauchst, sondern auch ihren artspezifischen und individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten gerecht wirst."
Würde dieser Imperativ umgesetzt, dann hätten auch die von uns besuchten 300 Bullen ein besseres Leben.
Das Tierethikbuch von Pater Martin M. Lintner trägt den Titel Der Mensch und das liebe Vieh: Ethische Fragen im Umgang mit Tieren (Innsbruck: Tyrolia, 2017).